Eckhart Tolles Lehre vom „Jetzt“
Hast Du schonmal gemerkt, dass Du manchmal komplett unbewusst durch den Alltag wanderst? Vielleicht sogar immer. Die meisten Menschen tun das. Dabei sind wir mit unserem Kopf meistens in der Zukunft oder in der Vergangenheit. Das stresst unseren Geist ungemein. Bestimmt hast Du schonmal von Eckhart Tolle gehört. Genau dieses Phänomen des Lebens in der Zeit ist Inhalt seiner Lehren.
Als ich mich vor etwa einem Jahr das erste Mal intensiver mit seinen Inhalten beschäftigt habe, war das eine echte Erkenntnis. Ich hoffe, Dir heute ganz grob einen Einblick in seine Theorien geben zu können, wenn Dich das Ganze interessiert, lies gern weiter.
Aus der Hölle zur Glückseligkeit
Eckhart Tolle berichtet von einer Nacht, in der er die Hölle durchgemacht haben soll. Er berichtet von einem „Gefühl absoluten Grauens“ und einer Feindseligkeit, die er von der gesamten Welt ausgehend wahrnahm. Das „abscheulichste“ sei in dem Moment aber seine eigene Existenz. Er könne nicht „mit sich selbst weiterleben“. Dann sei etwas passiert, das er noch nicht erlebt habe; sein Gedankenfluss sei angehalten, da er fassungslos gewesen sei von der Erkenntnis, dass er sich als zwei wahrnahm. „Bin ich einer oder zwei?“; warum sprach er von einem „Ich“ und einem „Selbst“, mit dem er nicht mehr leben könne?
Diese Fassungslosigkeit habe seinen Verstand angehalten und alle Gedanken aufgelöst; er sei aber bei vollem Bewusstsein gewesen. Dieser Gedankenstopp habe eine wahnsinnige Angst in ihm ausgelöst. Er habe keine Wahl gehabt und sich in dieses Gefühl hineinbegeben, da ihm eine Stimme aus seinem Innern gesagt habe: „Wehre Dich nicht“. Plötzlich sei alle Angst verflogen. Am nächsten Morgen wachte Tolle auf und schreibt von einem Gefühl tiefster Glückseligkeit. Er habe die Welt ganz neu wahrnehmen können, habe alles neu entdeckt und zum ersten Mal richtig gesehen.
Die Erkenntnisse, die Tolle in dieser Nacht und in der darauf folgenden Zeit hatte, finde ich super spannend.
Zum Einen behandelt er in seinen Lehren die Unterscheidung zwischen dem „Selbst“ und dem „Ich“; zwischen einem neutral beobachtenden Bewusstsein und einem Ego, welches der Mensch in seinem alltäglichen Bewusstsein als seine Persönlichkeit wahrnimmt und aus dieser heraus handelt.
Zum Anderen behandelt er die Gegenwärtigkeit, in der er sich befand, als sein Verstand angehalten hat.
Transfer auf unseren Lebensalltag
Die Kombination dieser beiden Erkenntnisse beinhaltet, dass wir Menschen ständig mit unserem Ego identifiziert in der Zeit leben. Das heißt, dass wir uns mit etwas identifizieren, was wir eigentlich gar nicht sind. Wir denken, das was uns ausmacht, sei unser Charakter, unsere Gedanken, unser sozialer Status, unsere Karriere, unsere Glaubenssätze und Religionen, unser Wissen oder etwas anderes, was uns als Mensch beschreibt. Laut Tolle stimmt das aber nicht. Er sagt, wir seien reines Bewusstsein. Jeder von uns hat zwar dieses Ego und das ist auch in Ordnung, da das die Gesellschaft, in der wir leben von uns verlangt. Aber die Identifikation mit dem Ego löst Schmerz aus, der über die Zeit zu einem Leiden werden kann, wenn wir es nicht schaffen, diesen Schmerz loszulassen.
Tolle fragt seine Leser explizit, ob sich die Tatsache, dass wir nicht unser Ego sind, erleichternd oder beängstigend für uns anfühlt. Die Frage muss jeder für sich beantworten, jedoch ist es meiner Meinung nach wichtig, sich zu fragen, warum (falls dem so ist) uns die Erkenntnis Angst macht. Beziehst Du Deinen Wert aus Deinen Leistungen, Deinem Erfolg, schlicht gesagt, Deinem Ego? Hast Du Angst, nichts mehr zu haben, wenn Du Dein Ego loslässt?
Wenn wir es schaffen, uns dieser Angst hinzugeben und zu spüren und schlussendlich loszulassen, dann können wir den „Schmerzkörper“, wie Tolle ihn nennt, auflösen. Das klingt alles sehr abstrakt aber ich glaube, dass das sehr wichtig zu begreifen ist.
Durch seinen Gedankenstopp, sei es Tolle gelungen, bloßes Wahrnehmen zu erleben; ohne sein Ego. Er war völlig im Jetzt, vollkommen präsent und gegenwärtig. Er habe die Welt, die ihn umgab ganz bewusst wahrgenommen und gespürt. Bloßes Bewusstsein.
Wenn wir mit unserem Ego identifiziert sind und damit durch die Welt gehen, dann leben wir ständig mit unseren Gedanken in der Zeit. Das heißt, dass wir sowohl die Zukunft als auch die Vergangenheit in unsere Realität miteinbeziehen und somit den jetzigen Moment weniger bis gar nicht spüren. In Momenten völliger Gegenwärtigkeit spüren wir aber, dass weder Zukunft noch Vergangenheit existieren. Es gibt schlichtweg nichts, außer den gegenwärtigen Moment. Die Menschen strukturieren ihre Wahrnehmung in Form eines chronologischen Zeitstrahls, auf dem das Jetzt, das mal existiert hat, als Vergangenheit und das Jetzt, das mal existieren wird, als Zukunft bezeichnet wird. In Wirklichkeit gibt es aber nur einen Moment. Und das ist das Jetzt. Es gibt nichts anderes als den jetzigen Moment. Verstehen kann man das Ganze nur schwer. Man muss es fühlen und das gelingt wenn man es schafft, wirklich komplett gegenwärtig zu sein.
Bewusste Wahrnehmung
Es ist natürlich nicht einfach, bspw. einen Arbeitsalltag zu bestreiten und gleichzeitig Gegenwärtigkeit und Präsenz zu praktizieren. Es kann helfen, sich immer mal wieder des gegenwärtigen Moments bewusst zu werden, einfach bewusst wahrzunehmen und zu spüren dass das Jetzt alles ist, was existiert. Das nimmt einen enormen Stress von uns. So kann es uns gelingen, ins Spüren zu kommen, Schmerzkörper freizusetzen und Leiden zu beenden.
Ich hoffe, dass das Thema trotz der sehr abstrakten Darstellung verständlich und interessant war. Uns interessiert natürlich sehr, was Du von dem Thema hältst, ob Du schonmal ganz gegenwärtig einen Moment wahrgenommen hast und ob es sich für Dich erleichternd oder eher beängstigend anfühlt, seine Identifikation mit seinem „Ego“ aufzuheben.
Grünsame Grüße,
Olivia